Forschungspreis 2009/2010

Die Übergabe des Forschungspreises 2009/2010 erfolgte am 12. Mai 2010 auf dem Ersten Deutschen Lupus Tag in Düsseldorf.

Es wurden hier gleich zwei Preise für Wegweisende Projekte verliehen.

Immunologische Mechanismen der Hautbeteiligung beim Lupus

Wir haben uns in Hannover besonders mit der Hautentzündung bei Lupus beschäftigt. Ziel unserer Untersuchung war es, Faktoren zu bestimmen, die für die langanhaltende Entzündung der Haut verantwortlich sind. Wir haben uns besonders auf die Zellen der Oberhaut, die sogenannten Keratinozyten konzentriert. Es ist bekannt, dass ein „unkontrolliertes“ Sterben (Apoptose) dieser Zellen die Entzündung beim Lupus beeinflusst. Apoptose von Keratinozyten tritt z.B. auch auf, wenn wir uns der Sonne aussetzen. Die Experten diskutieren noch darüber, ob bei Lupus-Patienten vermehrt Apoptose auftritt oder ob die geschädigten Zellen langsamer und schlechter vom Körper abgebaut werden. Auf jeden Fall fördert die Gegenwart von totem Zellmaterial die Entzündung beim Lupus.

Obwohl es so scheint, als würden die Keratinozyten nur eine passive Barriere gegenüber der Umwelt darstellen, sind es sehr aktive Zellen, die für Immunzellen wichtige Botenstoffe produzieren.

Wir haben Keratinozyten von Patienten mit chronisch diskoidem oder subakut kutanem Lupus isoliert. Wir haben die Zellen aus Haarwurzeln gezüchtet; auf diese Weise konnten wir die Entnahme von Hautproben vermeiden.

Die Ergebnisse unserer Forschungsarbeit zeigen, dass der Botenstoff Interleukin-18 (IL-18) in Hautläsionen von Lupus zu finden ist. Die Keratinozyten von Lupus Patienten zeigen eine ungewöhnliche Reaktion auf das IL-18. Sie sind empfindlicher gegenüber IL-18 als Zellen von gesunden Spendern und reagieren auf diesen Botenstoff mit Apoptose. Diese sehen wir nicht bei gesunden Keratinozyten. Der Grund für das Sterben der Hautzellen unter Einfluss von IL-18 ist, dass sie Tumor Nekrose Faktor (TNF) freisetzen.

Zusammenfassend haben wir also gesehen, dass Lupus-Hautzellen vermehrt sterben, wenn IL-18 in der Umgebung vorhanden ist. Dieser Effekt wird indirekt über TNF vermittelt.

Für die Therapie von Hautentzündung bei Lupus heißt das, dass eine „Blockade“ von entweder IL-18 oder TNF günstig wäre. Ein gegen TNF gerichtetes Medikament existiert bereits, kann aber bei Lupus Patienten nicht so gut eingesetzt werden, weil es oft zur Verschlechterung der Auto-Antikörpersituation kommt.

In Bezug auf das IL-18 ist unser Körper in der Lage, selbst eine blockierende Substanz herzustellen. Das sogenannte IL-18 Bindungsprotein wird auch von Hautzellen produziert. Derzeit versuchen wir, die Regulation dieses IL-18 „Blockers“ in der Haut besser zu verstehen und herauszufinden, wie wir dessen Produktion in der Haut stimulieren können.

Diese Arbeit wurde an der Klinik für Dermatologie, Abteilung für Immundermatologie durchgeführt und ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert worden. Am Zustandekommen der Ergebnisse waren noch Herr Professor Thomas Werfel, Frau Professor Britta Eiz-Vesper, Herr Dr. Dong Wang und Melanie Drenker beteiligt. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen Patienten bedanken, die uns durchweg und mit grossem Enthusiasmus mit Haar- und Blutspenden unterstützt haben. Wir hoffen sehr, dass unsere Ergebnisse zu neuen Therapieentwicklungen bei Hautlupus führen werden.

Prof. Dr. Miriam Wittmann

Liebe Frau Prof. Wittmann,

es ist mir eine besondere Freude in Düsseldorf jemanden aus Köln zu ehren. Diese Aussage ist allerdings etwas kurz gegriffen, denn Ihre medizinischen Wurzeln haben Sie mit Ihrem Humanmedizinstudium in Düsseldorf. Sie haben mit einer immunologischen Doktorarbeit am Diabetes Forschungsinstitut auch Ihr Forschungsgebiet gefunden, das Sie an der Medizinischen Hochschule in Hannover als Dermatologin vertieft haben. Aktuell sind Sie nach Habilitation 2007 in Hannover seit 2008 Lecturer for Immunology an der Universität Leeds.

Wir freuen uns heute erstmalig eine Dermatologin mit dem Lupus Forschungspreis auszeichnen zu können. Wie wir alle wissen, kommt der Haut beim Lupus eine besondere Bedeutung zu, sie ist mit dem Schmetterlingserythem sozusagen das Markenzeichen der Erkrankung, wobei die Ausprägungen sehr vielfältig sein können.

Sie haben sich dem Lupus zugewandt, weil die therapeutischen Optionen für die Hautbeteiligungen auch heute noch sehr begrenzt sind und haben den Vorteil genutzt, dass die Haut ein leicht zugängiges Organ ist. Im Vergleich zu Gesunden weisen Hautzellen bei Lupuspatienten deutlich mehr Rezeptoren für den entzündungsfördernden Botenstoff IL-18 auf.

Sie konnten feststellen, dass es über diesen Signalweg zur Induktion von Apoptose kommt, der im Rahmen des Lupus eine große Bedeutung zukommt, wie wir durch einen Ihrer Vorgänger als Preisträger wissen. Auf der Suche nach therapeutischen Optionen auf Basis dieser Befunde beschäftigen Sie sich aktuell mit Il-18 Bindungsprotein und Hautmodellen für den cutanen Lupus.

Ehrlich gesagt, wünschen wir Ihnen dafür – vor allem auch in Namen der Betroffenen, die ja diesen Preis ins Leben gerufen haben – viel Erfolg.

Wir wünschen uns, dabei mit in Ihnen in Kommunikation zu bleiben.

Prof. Matthias Schneider

Der systemische Lupus erythematosus (SLE) ist eine rheumatische und entzündliche Autoimmunerkrankung und betrifft 0,05 % der Bevölkerung. Die Entstehung der Krankheit wird wahrscheinlich durch das Zusammenspiel von genetischen und Umweltfaktoren begünstigt. SLE ist durch die Produktion von Autoantikörpern, die vornehmlich gegen Zellkernautoantigene gerichtet sind, gekennzeichnet. Das Nukleosom ist zum Beispiel ein Hauptautoantigen. Zirkulierende Nukleosomen kommen in erhörter Konzentration im Serum von SLE-Patienten vor. Bisher ist es nicht bekannt, wie die periphere Toleranz überwunden wird und warum es zu einer Autoimmunantwort bei SLE-Patienten kommt. Obwohl die erworbene Immunität eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des SLE spielt, häufen sich die Indizien, dass auch das angeborene Immunsystem beteiligt ist. Allerdings wurde dessen Rolle bisher nur unzureichend untersucht. Ich bin der Meinung, dass das angeborene Immunsystem nicht nur im Wirkungsstadium, sondern auch in die Entstehungsphase des SLE involviert ist.

Meine Zielsetzung ist daher die genaue Untersuchung verschiedener Bestandteile der angeborenen Immunität im Zusammenhang des SLE. Ich beabsichtige die Mechanismen zu entschlüsseln, die zur Aktivierung des angeborenen Immunsystems führen. Meine Arbeitsgruppe analysiert den Einfluss von zirkulierenden Nukleosomen auf das Immunsystem, die Fehlfunktionen bei der Beseitigung von Nukleosomen bei Lupus-Patienten und den Immunmechanismus, der zum SLE führt. Wir untersuchen auch das Zusammenspiel von angeborener und erworbener Immunität. Wir haben gezeigt, dass…

1. Nukleosomen einen Nekrose-ähnlichen Zelltod bei Lymphozyten induzieren. Die Nekrose wird als Initiator einer Entzündung angenommen.

2. physiologische Konzentrationen von freien Nukleosomen, die direkte Aktivierung von Neutrophilen und dendritischen Zellen veranlassen. Es ist bekannt, dass Neutrophilen als erste Zellen an den Entzündungsort gerufen werden und dass dendritische Zellen für die Antigenpräsentation verantwortlich sind.

3. das Komplement-Protein C1q an freie Nukleosomen bindet. Dieser Umstand hilft Neutrophilen, Nukleosomen zu erkennen und zu beseitigen. Wesentlich ist, dass die Bindung von C1q und Nukleosom das Komplementsystem aktiviert und somit eine Entzündung begünstigt.

4. die Deoxyribonuklease 1 (DNase1) für die Degradation von freien Nukleosomen verantwortlich ist. Eine beeinträchtigte Aktivität der DNase1 kann zu einer Anti-Nukleosom Autoimmunreaktion führen.

5. Nukleosomen die Sekretion von Interferon-a in Neutrophilen induzieren. Interferon-a spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung von SLE.

6. lupus dendritische Zellen präaktiviert sind und zu einer Aktivierung von T-Lymphozyten beitragen.

Konklusion. Wenn die Aktivität von C1q und/oder DNase1 gering ist (wie bei SLE-Patienten), wird die Beseitigung von Nukleosomen erniedrigt. Freie Nukleosomen können dann sowohl Lymphozyten töten als auch Neutrophile, dendritische Zellen und das Komplementsystem aktivieren. Dieses Phänomen induziert die Sekretion von verschiedenen Molekülen (zum Beispiel Interferon-a) und eine Entzündung. Die Aktivierung des Immunsystems resultiert in einer autoimmunen Reaktion, die gegen das Nukleosom gerichtet ist. Autoantikörper werden somit produziert und sind pathogen.

Ein besseres Verständnis der Immunantwort im SLE stellt einen entscheidenden Schritt in der Aufklärung der Krankheitsursache dar und vermag zur Entwicklung von therapeutischen Strategien beitragen.

Ich möchte mich bei der Lupus Stiftung Deutschland und der Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft, der Abteilung Immunologie, Prof. Hans-Georg Rammensee, meiner Arbeitsgruppe (Viktoria Rönnefarth, Annika Erbacher, Dennis Lindau und Jasmin Felux), der DFG, der Fritz-Thyssen Stiftung, dem IZKF-Tübingen, dem Klinikum Tübingen, den Blutspender and natürlich alle die Patienten herzlich bedanken.

Dr. Patrice Decker

Lieber Herr Dr. Decker,

wer sieht, was andere nicht sehen, kann Dinge möglich machen, die andere für unmöglich halten.

Diese Perspektive liegt offensichtlich in der Biochemie und der molekularen Zellbiologie – Fachrichtungen, für die Sie sich beruflich engagieren.

Mit Ihnen ehren wir heute einen Wissenschaftler, der seine akademische Laufbahn von der Universität Louis Pasteur in Strasbourg, wo Sie im Jahr 2000 Ihre Promotion über „Molecular and Cellular Biology mit Auszeichnung abschlossen, nach Deutschland in das Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen gelenkt hat.

Die Krankheit, der Sie Ihr Wissen widmen, ist der systemische Lupus erythematodes und Ihr Beitrag zur Erforschung, für den wir Sie heute auszeichnen, umfasst maßgeblich vier Gesichtspunkte:

die Folgen freier Nukleosomen auf das Immunsystem und der gestörte Abbau von Nukleosomen in Lupuspatienten und der Nukleosomen-induzierte nekrose-ähnliche Zelltod in Lymphozyten
die Identifikation einer neuen Art von Autoantikörpern und deren krankheitserregendes Potential.
die Bedeutung dendritischer Zellen als leistungsfähigere Antigen präsentierende Zellen bei Lupus
und Sie analysieren die Eigenschaften einer neuen Klasse von Peptid-Analoga, die möglicherweise für neue therapeutische Ansätze genutzt werden können.
Die Vielfalt Ihrer Forschungsansätze, das bisher Unsichtbare sichtbar zu machen, wirft von verschiedenen Seiten Licht in die Höhle, in deren Dunkel die Ursache des Lupus weiter verborgen ist.

Wir wünschen Ihnen, dass Sie das Unsichtbare sichtbar machen, damit das bisher Unmögliche – die Heilung des systemischen Lupus erythematodes – möglich wird.

Prof. Matthias Schneider